Via Sacra – Wiener Wallfahrerweg

Sonntag, 3. August 2014
Wien, St. Stephan – Maria Enzersdorf – Hinterbrühl (ca. 5 km Gehweg)

Viasacra-0432„Du bist der Fels!“ In Anlehnung an die Worte aus dem Matthäus-Evangelium beginnt heute unsere diesjährige Pilgerwanderung im Wiener Stephansdom. Wir werden auf der Via Sacra und dem Wiener Wallfahrerweg nach Mariazell gehen und dabei in unsere Stärke vertrauen lernen. Um uns dem Gefühl anzunähern, betrachten wir die mächtigen Säulen des Domes. Ich denke dabei an meine Zweifel, ob ich den Weg überhaupt schaffen werde und erkenne, dass mich das Thema ganz besonders trifft. Wie viele Menschen sind von mir überzeugt und vertrauen mir, und wie wenig mute ich mir letzten Endes selbst zu? Über dem Dom braut sich ein Gewitter zusammen. Wir nehmen die S-Bahn nach Maria Enzersdorf. Im dortigen Franziskanerkloster machen wir noch kurz Halt, dann geht es weiter nach Hinterbrühl. Die Schwüle der Stadt begleitet uns bis in den Wienerwald. IMG_0452

Donnergrollen und Blitze kommen dazu und wir sind erleichtert, als wir endlich an unserem ersten Ziel ankommen: der Höldrichsmühle.

Montag, 4. August 2014
Hinterbrühl – Holzschlag (ca. 20 km)

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Nachts hat es geregnet und die Luft ist wunderbar frisch am Morgen. Wir durchqueren herrliche Mischwälder und gelangen zum Stift Heiligenkreuz. Der gemütliche Gastgarten des Klostergasthofes zieht uns magisch an. Fulminant: das süße „Klostergeheimnis“! Viasacra-0462Gestärkt sind wir auch wieder aufnahmebereit für einen Rundgang im Stift. Ich fühle mich wohl in diesen Gebäuden, hier ist so viel gelebte Mystik spürbar! Vor dem bemalten Kreuz in der Abteikirche versuchen wir selbst ein Kreuz zu sein: wir stehen fest am Boden, gerade aufgerichtet, fest und in uns ruhend. Dann breiten wir seitlich die Arme aus um damit Begegnung und Offenheit auszudrücken.IMG_0464

Weiter geht es über Reit- und Wanderwege bis nach Mayerling. Im Karmeliterkloster wird uns die Geschichte vom geheimnisvollen Tod des Kronprinzen Rudolph und seiner Geliebten Mary erzählt. Besonders berührend finde ich eine Marienstatue mit schwarzem Schleier und den Gesichtszügen der trauernden Kaiserin Elisabeth.
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Nun erwartet uns ein Anstieg hinauf nach Holzschlag. Im Gasthof am Holzschlag essen wir ausgezeichnet und nächtigen in einem urgemütlichen Dachboden.

Dienstag, 5. August 2014
Holzschlag – Hafnerberg – Klein-Mariazell – Kaumberg (ca. 18 km)

Wir durchwandern hügelige Landschaft, entlang von Wiesen und Getreidefeldern.IMG_0485

In der Wallfahrtskirche Hafnerberg  legt Pater Martin jedem von uns ein Getreidekorn in die Hand. Der Macht der Gewohnheit folgend, verleiben sich einige von uns das Korn gleich ein. Unbefangenere warten neugierig und staunend auf weitere Anweisungen. Pater Martin erzählt von der Symbolik des Kornes. Es ist klein und unscheinbar, aber in ihm liegt das Potential zu Wachstum, die Gabe sich zu entfalten und zu nähren. Wir nehmen es als Vorbild für unsere eigenen, vielleicht noch verborgenen Fähigkeiten mit auf den Weg. Um die Mittagszeit erreichen wir Klein Mariazell und besuchen vor dem Mittagessen die Wallfahrtskirche mit dem romanischen Kreuzgang. IMG_0507

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In Kaumberg angekommen, erwarten uns schon unsere zwei „Pilgerfreunde“, die ab nun ihr Auto für „Marscherleichterung“ zur Verfügung stellen. Wir können Teile unseres Gepäcks bis zum nächsten Ziel transportieren lassen. Das wird besonders morgen wichtig sein, denn da wartet die schwierigste und anstrengendste Etappe auf uns. Dem entsprechend stärken wir uns schon ordentlich beim Kirchenwirt.

Mittwoch, 6. August 2014
Kaumberg – Kieneck – Unterberg – Rohr im Gebirge (ca. 30 km)

Heute muss ich mich meinen Ängsten stellen! Diese Etappe macht mir seit dem „Einlesen“ zu Hause große Sorgen. Konditionell anspruchsvoll, steile Anstiege und die Gesamtlänge von 30 km lassen mich an meinen Fähigkeiten zweifeln. Aber an ein Aufgeben denke ich schon lange nicht mehr. Ein kleiner Fels ist schon aus mir geworden in den letzten Tagen. Ein blasenfreier noch dazu! Wir starten um 7:00 Uhr. Das Wetter ist uns gut gesonnen und schickt für die anstrengende Tour kühle, feuchte Wolken auf den Berg.

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Es entgeht uns nun zwar die angeblich spektakuläre Aussicht, aber so ist es erträglicher, den Aufstieg zu schaffen. Auf der Enzianhütte angelangt, erwarten uns köstliche Mahlzeiten und natürlich auch stärkende Getränke! Den Unterberg nehmen wir dann schon fast „im Vorbeigehn“.IMG_0528

Schließlich geht es wieder bergab, und der Tag klingt bei schon gewohnt guter Verköstigung, diesmal im Hotel Kaiser Franz Josef aus. Wir haben es geschafft!! Ich bin dankbar und voller Zuversicht für die letzten beiden Tage unserer Wanderung. Auch bin ich sehr froh, hier in einem „Pilgerzimmer“ nächtigen zu dürfen und damit dem „Heuboden-hotel“ entgehen zu können. Schlimme Dinge werden tags darauf über die dortigen Zustände berichtet…..

Donnerstag, 7. August 2014
Rohr im Gebirge – Kalte Kuchl – St. Aegyd am Neuwalde (ca. 21 km)

Heute dürfen wir wieder ein wenig länger schlafen. Die vor uns liegende Etappe ist gemächlich und ohne große Herausforderungen.IMG_0554IMG_0555

Wald, Wiesen, Weiden, ein leichtes auf und ab bringt uns schon relativ früh an unser Tagesziel, dem Gasthof Berthold in St. Aegyd. Trotz Ruhetag wird für uns aufgekocht und wir genießen Tags darauf ein außergewöhnlich gutes, reichhaltiges Frühstück.

Freitag, 8. August 2014
St. Aegyd am Neuwalde – Mariazell (ca. 28 km)

Heute beginnt die letzte, wieder sehr lange Etappe bis zum Ziel der Pilgerwanderung. Die erste Herausforderung ist der Anstieg zu einem Sattel mit dem Namen „Gescheid“. Dort stärken wir uns kurz und gehen weiter bis wir zur Landesgrenze kommen und das „Mariazeller Land“ in der Steiermark erreichen. Gleich nach der Grenze erwartet uns eine ganz besondere Labstelle: die Buchtlwirtin. Riesenwuchteln in unzähligen Variationen warten darauf, bewältigt zu werden. Ich gönn mir lieber eine gute Suppe und ein stärkendes Bier.IMG_0609

Weiter geht es zum wunderschönen Hubertussee, der sich nun dem Weg entlangzieht. Wir suchen einen geeigneten Badeplatz und kühlen uns ein wenig ab. Pater Martin nutzt die Erfrischungspause gleich zur Reinigung seines Habits und wagt damit sogar einen Sprung aus luftiger Höhe ins Wasser.
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Nun folg noch ein letzter Anstieg auf den Haberheuersattel, dann geht es stetig abwärts und wir sind dem Ziel ganz nah. Entlang des Rosenkranzweges gehen wir nun schweigend den Weg zur Basilika in Mariazell. Dort können wir uns endlich erleichtert, gerührt, und glücklich in die Arme fallen!IMG_0644

Nachdem wir früh genug angekommen sind, erfrischen wir uns noch im Quartier. Im Haus Lechner erleben wir den Zauber der Vergangenheit hautnah. Berührende Gastfreundschaft und die Einfachheit des Hauses haben ihren besonderen Reiz. In der Küche stehen schon die Töpfe für die Frühstücksgetränke bereit.

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Der Höhepunkt der Pilgerwanderung ist dann wohl die Abendmesse, die Pater Martin in der Basilika abhalten darf – ein ganz besonderes Erlebnis!IMG_0654

Auch wenn mir persönlich die östliche Mystik näher ist als die westliche, spüre ich hier, wie sich Grenzen auflösen. Die Steine auf unserem Weg sind überwunden, und ich habe die Erfahrung gemacht, ein Fels sein zu können, wenn es erforderlich ist. Die Stärke und die Macht der Säulen des Stephansdomes, die uns auf diesem Weg begleitet haben, kann ich nun auch in mir spüren. Ich bin aber auch gerne das Wasser, das seinen Weg zum Meer sucht, oder der Baum, der in der Erde stark verwurzelt ist und sich vom Wind nicht beugen lässt.

Weitere Bilder zur Wanderung sind hier zu sehen: iPhone-Fotos

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