Von der Mündung zur Quelle – Isonzo / Soča

Geleitet von der herzerfrischenden Lebensfreude und dem ansteckenden Humor von Franziskaner-Pater Martin begeben wir (eine Gruppe von 20 Personen) uns am 14. Juli auf die Reise nach Italien zu einer Pilgerwanderung von der Mündung des Flusses Isonzo in die italienische Adria bis hin zur Quelle in den Bergen Sloweniens, wo er unter dem Namen Soča bekannt ist. 

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14. Juli 2013: Anreise nach Monfalcone
Zug und Bus bringen uns von Enns über Salzburg, Villach, Udine nach Monfalcone – zum Ausgangspunkt unserer 6-tägigen Wanderung. Angekommen in Monfalcone beziehen wir eine kleine Pension und machen uns auf den Weg zu einem erfrischenden Bad im Meer. „Ungefähr 10 Minuten zu Fuß“ meint Pater Martin, was mich veranlasst, die Wanderschuhe noch zu schonen und die leichteren Sandalen zu nehmen. Es werden 40 Minuten und ca. 4 km. Das Resultat: ich beginne meine Wanderung bereits mit zwei riesigen Blasen links und rechts außen an den Fersen.

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Pater Martin erklärt uns die Symbolik des Meeres. Hier stehen wir mit unseren Sehnsüchten und Wünschen, werden uns aber bald davon abwenden, um „gegen den Strom“ zum Ursprung, zur Quelle zu gelangen.

15. Juli 2013: Monfalcone – Gradisca
Wir machen uns auf die Suche nach der Flussmündung. Es ist nicht einfach, in einem Mündungsdelta, das einem dichten Augebiet gleicht, genau die Stelle zu finden, wo der Fluss das Meer erreicht. Pater Martin sieht es gelassen: „Ein Mündungsdelta ist eben eine verwirrende Gegend – wie halt auch das Leben so ist. Hier weiß man auch nicht immer, wo man grad steht.“ Nach ca. 5 km Suche entscheiden wir, dass wir an der Mündung sind. Das Wasser schmeckt noch salzig, also kann das Meer nicht weit sein.  Einige von uns suchen nach einem kleinen Stein, den wir auf den Weg mitnehmen und bei der Quelle wieder ablegen werden. Unsere eigentliche Pilgerwanderung entlang des insgesamt ca. 140 km langen Flusslaufes beginnt.

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Die erste Etappe ist für uns alle eine große Herausforderung. Die Hitze (ca. 34°) und lange Strecken auf Asphalt machen selbst den trainierten Bergwanderern unter uns zu schaffen: nur ganz wenige überstehen die insgesamt 32 km-Etappe ohne Blasenbildung. Da wir Wasser und Essen für den ganzen Tag mittragen, ist mein Rucksack inzwischen geschätzte 12 kg schwer.
Belohnung am Ende des sehr anstrengenden ersten Tages ist das hübsche Städtchen Gradisca d’Isonzo und die Unterbringung im 4-Sterne Hotel Franz, in dem wir uns ausgiebig erfrischen und regenerieren können. Am Abend tanzen wir gemeinsam auf dem Platz vor der Kirche der „Sieben Schmerzen Mariens“.

16. Juli 2013: Gradisca – Sveta Gora
Die zweite Tagesetappe ist zwar „nur“ mit guten 20 km veranschlagt, von denen die letzten 6 km allerdings den Aufstieg zum Kloster auf dem Sveta Gora, dem heiligen Berg, bedeuten, das immerhin auf 682 m Seehöhe liegt. Diese Vorstellung lässt meinen Kreislauf schon am Morgen zusammenbrechen. Die einverleibten Tröpfchen und Mittelchen meiner lieben Pilgerfreunde bringen mich zwar wieder einigermaßen in Trab, als aber dann vier weitere KollegInnen an den Folgen der ersten Extremetappe zu schwächeln beginnen, entschließen wir fünf uns, auf unseren Körper zu hören und nehmen für die verbleibende Strecke zwei „Pilgertaxis“ hinauf zum Kloster.
Im Gästehaus des Klosters nächtigen wir.

_DSC979117. Juli 2013: Sveta Gora – Korbarid
Bei dieser geplanten Tagesetappe ergibt sich bei genauerer Recherche eine Strecke von mehr als 50 km. Für unsere Gruppe an einem Tag nicht zu bewältigen! Wir beschließen also, die Strecke von Plave bis Tolmin mittels Zug/Bus zu entschärfen.
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Angekommen in Kobarid erwartet uns eine böse Überraschung: der Pfarrsaal in dem wir nächtigen sollen, entpuppt sich als etwas größerer Raum, der wohl schon lange nicht mehr benutzt worden und für 21 Personen massiv unterdimensioniert ist. Waschgelegenheit im Hof. Dazu nach wie vor massive Hitze. Martin meint, das wäre selbst für einen Franziskaner-Pater eine Zumutung. Er macht sich kurz entschlossen auf den Weg und bringt uns tatsächlich ganz spontan in einem benachbarten 4-Sterne Hotel unter!  So wendet sich alles zum Guten und wir können den folgenden Tag sogar mit einem herrlichen Frühstück beginnen.

18. Juli 2013: Kobarid – Bovec
Der Weg beginnt anzusteigen, wird aber auch immer abwechslungsreicher und schöner. Die Soča zeigt ihre wunderbaren Farben und die Julischen Alpen erheben sich langsam vor uns. Wir hören auf, nach Kilometern zu fragen…

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Am Abend erreichen wir den Campingplatz bei Bovec. Dort wird uns ein ganz besonderes Abendessen bereitet: frisch gefangene Soca-Forellen vom Grill! Unsere Zelte sind bereits aufgebaut und fertig zum Bezug. Mein neuer Luxusschlafsack erweist sich als gute Investition: nur 450 g Daunen wärmen mich hervorragend, meine Zeltgenossinnen frieren dagegen sehr!

_DSC985619. Juli 2013: Bovec – Trenta
Der vorletzte Tag führt uns nach Trenta. Unsere Blasen haben sich weitgehend stabilisiert, die Schmerzen lassen nach, und mein Rucksack ist Teil meiner selbst geworden. Ich spür ihn fast nicht mehr. Es geht weiter aufwärts, physisch, psychisch und geländemäßig.

_DSC9884Da für die Nacht ein Gewitter vorhergesagt wird, stellt uns der Campingplatzbesitzer in Trenta freundlicherweise seine Scheune für die Nächtigung zur Verfügung. Es gibt dort auch WC, Dusche und das fließende Wasser der Soca. Einer wunderbar gemütlichen Nacht im Heuboden steht nichts mehr im Wege! Tatsächlich gibt es in der Nacht auch Regen, der am Morgen aber wieder dem Sonnenschein weicht.

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20. Juli 2013: Aufstieg zur Quelle
Am Morgen werden wir bei einem herrlichen Frühstück mit selbst produzierten Bio-Produkten verwöhnt und können uns vor dem Aufstieg in das obere Trenta-Tal so richtig stärken. Wir erleben auf den letzten Kilometern eine beeindruckende Landschaft, die Berggipfel der Julischen Alpen scheinen zum Greifen nah. Zwischen den bewaldeten Hängen im unteren Bereich sieht man als weißes Dreieck unser Ziel: den Ort der Quelle.

_DSC9923Der letzte Aufstieg zur Quelle bringt uns noch einmal an unsere Grenzen: Steile Felsblöcke, mit Seilen gesichert und eigentlich nur für geübte, schwindelfreie Bergschuhträger begehbar trennen uns von unserem Ziel. Es gibt aber kein Zurück mehr und so finde ich mich mit Rucksack, Kamera und Laufschuhen krampfhaft festgeklammert am Seil im Felsen wieder und denke an ein Lied von Fabrizio De Andrè: Andrea „…ucciso sui monti …“ (…verunglückt in den Bergen….)
Aber es geht alles gut und endlich können wir durch eine Felsöffnung hinunter zur blauen Quelle blicken!

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Am Fuß der Quelle füllen wir mitgebrachte Flaschen mit ihrem frischen, klaren Wasser, das Pater Martin noch direkt vor Ort segnet. Wir hinterlassen unsere Steine, die wir an der Mündung in Monfalcone gesammelt haben.

_DSC9931Die Pilgerreise ist nun zu Ende. Unten am Parkplatz wird uns bald ein Reisebus abholen und wieder nach Hause bringen. Persönliches Rèsumè meiner ersten Pilgerwanderung: es wird nicht meine letzte sein! Das Tempo war für mich manchmal zu hoch, ich würde an manchen Orten gerne länger verweilen und dafür einige Tage länger unterwegs sein. Pilgern und Fotografieren erwies sich für mich als inkompatibel! Ich war viel zu sehr mit mir selber beschäftigt und hatte weder Kraft noch Lust, Bilder zu machen. Außerdem war keine Zeit, auf das richtige Licht zu warten. Insgesamt war es aber ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte und das mir aufzeigte, wozu ich eigentlich fähig bin, wenn ich es wage, mich einzulassen, und wie viel Kraft die Gruppe geben kann, wenn man selbst nicht mehr an sich glaubt.
…weitere Bilder… und das Buch zur Geschichte:

Isonzo - Soca
Isonzo – Soca
Vom Meer zur Quelle
By Christa Romana Scharf
Photo book

Weitere Beiträge zu den Reisevorbereitungen: hier und da

8 Gedanken zu „Von der Mündung zur Quelle – Isonzo / Soča

  1. Herwig Kerschbaumer

    Liebe Christa! Mit Neugierde habe ich deinen Bericht gelesen und freue mich mit dir, dass du es geschafft hast. Ich kann es gut nachfühlen, dass an ein intensiveres Fotografieren nicht zu denken war. Freue mich auf ein Wiedersehen. LG Herwig

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  2. Hubert Karner

    Danke, für die wunderschönen Bilder und den Text. Ich wußte gar nicht, dass wir einen Profi mithatten.

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    1. Christa Beitragsautor

      Danke auch dir, Hubert! An dieser Stelle vor allem nochmals, dass du dich an meinem „Schwächetag“ so bereitwillig als mein Wasserträger zur Verfügung gestellt hast! Mit drei Kilo weniger geht es sich ja doch gleich viel leichter 😉

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  3. Franz Zauner

    Danke für die Bilder und die wunderschöne Beschreibung unserer Pilgerwanderung – echt supaa!!
    „Leben ist nicht genug, sagte der Schmetterling.
    Sonnenschein, Freiheit
    und eine kleine Blume gehören dazu.
    (Hans Christian Andersen)
    Liebe Grüße
    Franz und Christine

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    1. Christa Beitragsautor

      Ja – und das Leben ist eine Blumenwiese, man muss nur die Tür aufmachen und hinausgehen 😉
      Danke euch beiden!

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  4. Maria Haller

    Ein wunderbarer Bericht von einer wunderbaren Wanderung! Bestätigt mich allerdings darin, dass ich recht hatte, nicht mitzugehen! Hätte ich nie geschafft! Meine Hochachtung allen Wanderern!

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  5. Willibald Horner

    Liebe Christa!
    Komme erst jetzt dazu deinen tollen Bericht zu lesen. Danke für diese umfassende Nachlese aus deiner subjektiven „Feder“!
    Habe zwar jede Menge fotografiert (siehe trainierter Bergwanderer), aber aufgrund eines Computer-Crash` stecken die Bilder noch im Apparat fest und konnten von mir auch noch nicht gesichtet werden.
    Herzlichen Dank
    Willi Horner

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